Das Reverse-Charge-Verfahren sorgt bei vielen Selbstständigen und Unternehmern für Unsicherheit. Dabei ist die Umkehr der Steuerschuld ein fester Bestandteil des Umsatzsteuerrechts – vor allem im internationalen Geschäft und bei bestimmten Leistungen im Inland. Wer hier sauber arbeitet, vermeidet unnötige Nachfragen vom Finanzamt und mögliche Steuernachzahlungen.
In diesem Beitrag erfährst du, wann das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und wie du rechtssichere Rechnungen mit Hinweis auf Reverse Charge erstellst.
Was bedeutet Reverse Charge?
Reverse Charge bedeutet: Nicht der leistende Unternehmer, sondern der Leistungsempfänger schuldet die Umsatzsteuer. Das Verfahren greift vor allem bei grenzüberschreitenden Leistungen im B2B-Bereich und bei bestimmten Leistungen innerhalb Deutschlands.
Beispiel: Ein deutscher Webdesigner erstellt eine Website für ein Unternehmen in Österreich. Der Webdesigner stellt eine Rechnung ohne Umsatzsteuer, mit dem Hinweis auf Reverse Charge. Der österreichische Unternehmer muss die Steuer im eigenen Land abführen.
Wie funktioniert das Reverse-Charge-Verfahren?
Im klassischen Umsatzsteuerverfahren stellt der Leistungserbringer eine Rechnung mit Umsatzsteuer aus und führt diese ans Finanzamt ab. Beim Reverse Charge läuft es anders:
- Der Leistungserbringer stellt eine Nettorechnung.
- Der Rechnungsempfänger – ein Unternehmer – schuldet die Umsatzsteuer im eigenen Land.
- Diese Steuer wird im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung oder Jahreserklärung selbst angemeldet und ggf. als Vorsteuer geltend gemacht.
- Der Leistende vermerkt in seiner eigenen Umsatzsteuermeldung die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens.
So wird die Steuer in das Land des Verbrauchs verlagert, ein Ziel des europäischen Umsatzsteuerrechts.
Wann kommt das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung?
Das Verfahren ist in § 13b UStG geregelt und greift in verschiedenen Situationen:
Typische Anwendungsfälle:
- Leistungen an Unternehmer in einem anderen EU-Staat (z. B. Beratungen, Agenturleistungen, Software)
- Bauleistungen und Gebäudereinigungen im Inland
- Lieferung bestimmter Güter, etwa Schrott, Gold oder Mobilfunkgeräte
- Innergemeinschaftliche Lieferungen und Leistungen (nur unter bestimmten Bedingungen)
- Einfuhr von Gas oder Elektrizität
Achtung: Bei Rechnungen an Privatkunden (B2C) gilt das Reverse-Charge-Verfahren nicht.
Voraussetzungen für die Anwendung
Damit das Reverse-Charge-Verfahren korrekt angewendet wird, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:
- B2B-Leistung: Der Empfänger ist ein Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts.
- Nachweis der Unternehmereigenschaft: z. B. durch gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.).
Hinweis: Seit einem Urteil des BFH vom Januar 2024 ist die USt-IdNr. nicht mehr zwingend erforderlich, wenn die Unternehmereigenschaft anderweitig nachgewiesen werden kann. - Hinweis auf Reverse Charge in der Rechnung
- Keine Umsatzsteuer auf der Rechnung
- Leistung fällt unter §13b UStG oder europäisches Reverse-Charge-Verfahren
Unterschiede zwischen B2B und B2C
Leistungsempfänger | Umsatzsteuerpflicht | Rechnungsausstellung |
---|---|---|
Unternehmer (B2B) | Beim Empfänger | Ohne USt, mit Hinweis |
Privatperson (B2C) | Beim Leistungserbringer | Mit deutscher USt |
Wichtig ist also, den Status des Empfängers korrekt zu ermitteln – insbesondere bei Neukunden aus dem EU-Ausland.
Neue Entwicklungen ab 2025
1. Verlängerung der EU-Übergangsfrist
Die Übergangsregelung für das Reverse-Charge-Verfahren im grenzüberschreitenden Handel wurde von der EU bis 31. Dezember 2025 verlängert.
2. ViDA-Reform auf EU-Ebene
Die Initiative VAT in the Digital Age (ViDA) sieht umfassende Reformen vor:
- Einführung von E-Invoicing und E-Reporting ab 2028
- Automatisierte Umsatzsteuerprozesse im Binnenmarkt
- Auswirkungen auf Reverse-Charge-Abwicklung durch stärkere Digitalisierung
3. Kleinunternehmerregelung reformiert
Seit 2025 gelten neue Umsatzgrenzen bei der Kleinunternehmerregelung:
- 25.000 € Vorjahresumsatz, 100.000 € im laufenden Jahr
- Kleinunternehmer können trotzdem unter das Reverse-Charge-Verfahren fallen – insbesondere bei Dienstleistungen ins EU-Ausland.
So erstellst du eine Reverse-Charge-Rechnung korrekt

Pflichtangaben:
- Vollständige Anschrift von Leistungserbringer und Leistungsempfänger
- Rechnungsdatum
- Beschreibung der Leistung
- Leistungsdatum oder Zeitraum
- Nettobetrag
Hinweis auf Reverse-Charge-Verfahren, z. B.:
„Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gemäß §13b UStG“ oder
„VAT reverse charge – Article 196 of Directive 2006/112/EC“
Reverse-Charge-Rechnungen mit easybill
Mit easybill erstellst du Reverse-Charge-Rechnungen ganz einfach und rechtssicher – egal, ob du ins EU-Ausland lieferst oder Bauleistungen im Inland abrechnest. Die Software bietet dir:
- Vordefinierte Reverse-Charge-Texte für alle gängigen Fälle
- Automatische USt-ID-Prüfung bei B2B-Kunden
- Übersichtliche Vorlagen mit Nettoausweisung
- Zukunftssicheres Arbeiten mit vorbereiteter E-Invoicing-Funktion
Tipp: Achte bei internationalen Leistungen auf sprachlich verständliche Formulierungen, ggf. zweisprachig (Deutsch/Englisch).
Das Reverse-Charge-Verfahren ist ein zentraler Baustein im Umsatzsteuerrecht. Wer regelmäßig mit Geschäftskunden im Ausland arbeitet oder in bestimmten Branchen tätig ist, kommt an der Umkehr der Steuerschuld nicht vorbei. Wichtig ist dabei, die richtigen Voraussetzungen zu prüfen, die Rechnung korrekt zu erstellen und rechtssichere Angaben zu machen.
Häufige Fragen zum Reverse-Charge-Verfahren
Kann ich Reverse Charge auch als Kleinunternehmer anwenden?
Ja, wenn du Leistungen an Unternehmen im EU-Ausland erbringst, greift das Verfahren unabhängig von deinem USt-Status.
Was passiert, wenn der Hinweis fehlt?
Du haftest ggf. für die nicht ausgewiesene Umsatzsteuer. Die Finanzbehörden können Nachweise fordern oder eine Nachversteuerung ansetzen.
Wie prüfe ich die Unternehmereigenschaft des Kunden?
Am sichersten ist die Prüfung der USt-IdNr. über das MIAS-System der EU oder das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).
Gilt Reverse Charge auch für Kunden außerhalb der EU?
Hier gelten andere Regelungen – meist entsteht keine Umsatzsteuer in Deutschland, aber das Verfahren wird nicht als Reverse Charge im engeren Sinne bezeichnet.